Inselliebe

So müssen sich Urlauber fühlen, wenn sie den Autobahnrastplatz „Ostseeblick“ sichten, wo man einen Hügel erklimmen und den ersten Blick auf das geliebte Blau erheischen kann.

Oder man fährt eben einfach weiter und erkennt bald den Kleiderbügel, der als Fehmarns Wahrzeichen die Brücke in Szene setzt.

Nur, dass wir nicht als Gäste anreisen, sondern als neue Fehmaraner, die bereits einen Einbürgerungstermin im Rathaus in ihrer Tasche haben.

Ist es nicht für viele Menschen ein uralter Traum, auf einer Insel zu leben? Und wir, die wir so häufig auf Inseln Urlaub gemacht haben, haben darüber auch das eine oder andere Mal nachgedacht, aber jetzt war es doch eher Zufall.

Noch dazu: Wir waren auf einer Insel gelandet, die wir überhaupt nicht kannten.

Ab sofort: Fehmaranerin!

Als wir von der Brücke herunter fuhren, sahen wir meilenweit nichts als Felder. Irgendwann bogen wir in eine schmale Straße und erreichten unser Haus.

Wenige Tage nach unserem Einzug, fuhren wir zum Rathaus in Burg um echte Bürger der Stadt und damit auch der Insel Fehmarn zu werden.

Die Umsiedlung war amtlich.

Burg auf Fehmarn

Bewohner*innen der Insel heißen Fehmaraner*innen. Ab heute gehören wir also dazu und sind darüber hinaus noch echte Insulaner*innen.

Es dauerte noch ein paar Tage und dann hatten wir auch ein neues Nummernschild. Oh! Nicht nur ein Ausruf! Auch eine Region: Ostholstein.

Den Vorteil als neue Fehmaraner*innen bekamen wir dann auch gleich zu spüren. Bei unserem ersten Bad am beliebten Südstrand brauchten wir keine Kurtaxe zu zahlen und bei einer Kontrolle nur unseren Personalausweis zu zücken. Erkennend lächelte die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung.

Gleiche unter Gleichen.

Lemkenhafen.

Fehmarn ist etwa so groß wie die niederländische Insel Texel. Und hier leben ähnlich viele Schafe. Sehr viele. Und deswegen sind auch Orte nach ihnen benannt wie beispielsweise Lemkenhafen, eines unserer ersten Ausflugsziele.

Schafe beim Leuchtturm Flügge

Fehmarn ist eine Fahrradinsel. Die Küstenlinie umfasst 78 km, die mit dem Fahrrad vollständig umrundet werden können.

Wir radeln aber für den Anfang von Landkirchen einfach querbeet und erreichen bald die alte Mühle, in der heute ein Mühlenmuseum untergebracht ist.

Lemkenhafen ist ein Fischer- und Hafendorf und hatte in der Vergangenheit aufgrund seiner günstigen Lage eine wichtige Bedeutung für den Handel. Heute ist es vor allem bei Surfern und Kitesurfer beliebt.

Ankommen, entdecken, einlieben.

Nein, das ist kein Schreibfehler. Es braucht seine Zeit, sich mit etwas vertraut zu machen. Das wusste schon der Fuchs im kleinen Prinzen. Und so geht es uns hier auch. Die verschiedenen Sehenswürdigkeiten auf Fehmarn sind schnell abgeradelt.

Aber darum geht es nicht. Die Kunst, sich einzulieben, heißt vertraut zu werden. Nach vielen Wochen im Überqueren inne zu halten, neue Ausblicke zu erleben, die Jahreszeiten hautnah zu erleben und Mensch und Tier gleichermaßen als Nachbarn zu wissen.

Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich mir Fehmarn jemals als Urlaubsziel ausgesucht hätte, aber zum Leben gefällt es mir hier jeden Tag besser und das, obwohl wir gerade einen stürmischen Winter hinter uns haben!

Über Lebensträume

Der Urlaub ist zu Ende.

Du denkst, könnte ich doch nur noch länger hier bleiben!

Seufz.

Wie häufig haben wir das schon am Ende einer schönen Ferienzeit gedacht.

Wie häufig habe ich das empfunden, wenn wir (mit Hund) an der Ostsee Urlaub gemacht haben.

Manche Grübelei, mache Tagebuchnotiz drehte sich um die Frage, wie nur könnte der Traum wahr werden, am Meer zu leben. Langfristig, vielleicht für immer!

Aber die Arbeit lässt es nicht zu. Das Geld verdienen und der Beruf, der mehr ist als ein Job. Die Freunde, die Familie. Alles wirklich hinter sich lassen? Richtig umsiedeln? In eine neue Region?

Reisekladde.

Es ist eine ganze Weile her, dass ich hier in meine Reisekladde geschrieben und Geschichten über unsere Reisen mit Hund erzählt habe.

Jahre. Tatsächlich, weil das Leben dazwischen kam. Wir sind vom Rheinland ins Ruhrgebiet gezogen und dort war wenig Zeit zum Schreiben. Ausserdem machten wir Urlaub an unseren bewährten Plätzen, die in Reisekladde schon häufiger eine Rolle spielten.

Aber genau in dieser Zeit reifte die Idee, den unausgegorenen Wunsch in einen Plan umzusetzen und an die Ostsee umzusiedeln und damit den Traum vom Leben am Meer zu verwirklichen.

Immer wieder notierte ich am Ende der Urlaube in meinen Tagebücher: Wie kann es uns gelingen, hier zu leben? Irgendwann fingen wir an, uns Häuser anzusehen. Einmal fuhren wir sogar nur für drei Tage hierher, um ein Traumhaus zu besichtigen. Das war im Sommer 2019. Und plötzlich wurde uns klar, dass wir es ernst meinen.

Exkurs: Lebensträume.

Was sind eigentlich Lebensträume? Ist es etwas, was wir uns mit fünfzehn aufschreiben und dann systematisch umsetzen? Nein. Lebensträume reifen über das ganze Leben. Blitzen ab und an auf und verschwinden auch wieder.

Es hat wenig mit dem zu tun, was wir auf Klassentreffen als Fotos herumreichen: Haus, Mann, Kinder, Karriere – oder umgekehrt. Auf frühen Klassentreffen. Später ändert sich das auch wieder.

Lebensträume sind ein Gefühl. Ein Gefühl, das sich gut, ja sehr gut, anfühlt. Lebensträume sind eine Landschaft, ein Lachen, ein Wohlsein. Lebensträume sind pures, echtes Glück.

Während ich von meinem Arbeitsplatz hier am Horizont den roten Streifen erspähe, der später zu strahlendem Sonnenschein werden und die Schneelandschaft funkeln lassen wird, der die Eiszapfen an den Stegen auf der Ostsee zum Schmelzen bringen wird, dann schmilzt mein Herz und meine Seele vor Dankbarkeit und Zufriedenheit.

Denn genau das sind Lebensträume. Sie sind ein Flow. Ein gutes Gefühl. Kreativität. Der Sinn des Lebens. Erfüllung. Wenn ich diese Gefühle habe, ist die Welt in Ordnung und ich lebe meinen Traum. Das mag ein Wohnort sein, eine sinnvolle Arbeit, eine Partnerschaft, eine Freundschaft, ein Klavierspiel, mit dem Hund zu toben, Kinderlachen, zu schreiben, Meditation.

Dafür muss ich manchmal zwischendurch das Leben auch wieder träumen, um zu wissen, woran gerade geschraubt werden muss.

Wenn ein Lebenstraum wahr wird.

Ich habe gelernt, wenn Du Dir über eine Zeit lang etwas bildlich vorstellst, kann es sein, dass Du eines Tages im Bild angekommen bist. Das nennt man auch Vision.

Der springende Punkt war in meinem Fall die Arbeit. Ich liebe meine Arbeit. Und habe sehr lange in Köln gearbeitet und in Bonn gewohnt. Wunderbare Städte! Erst als ich ins Ruhrgebiet umgesiedelt bin, habe ich die echte Erfahrung gemacht: Veränderung ist möglich.

Als ich ins Berufsleben einstieg, konnte man froh sein, einen Job zu bekommen, da es einen Fachkräfteüberschuss gab. Heute herrscht Fachkräftemangel. Fachkräftemangel führt dazu, dass Menschen sich eher aussuchen können, was sie tun wollen und noch besser, nicht den Wohnort vom Arbeitsplatz, sondern den Arbeitsplatz vom Wohnort abhängig machen können.

Als ich daher am Vorabend meines Geburtstages im letzten Jahr, die Stellenanzeige im Norden sah, einem Wechsel und damit der Erfüllung eines Lebenstraums wenig im Wege stand.

Und so siedelten wir mitten in der Pandemie auf eine Insel ins Meer um.

3 Jahreszeiten Sommer, Herbst und Winter haben wir inzwischen hier erlebt. Und was das so bedeutet, einen Lebenstraum wahr zu machen, was es heißt, wenn aus einer Urlaubsregion eine Alltagsregion wird, noch dazu mitten in der Pandemie, darüber erzähle ich Euch bald mehr hier in Reisekladde!